Tsekyis Therapiegeschichte

An einem Freitag Abend habe ich mich dazu entschieden, dass der kommende Montag der erste Tag sein sollte, an dem ich keinen Alkohol mehr trinke. Mein Problem war allerdings, dass ich nicht bereit war, in einem Krankenhaus eine Entgiftung zu machen. Ich hatte damals unglaubliche Angst davor, weil ich nicht so gut woanders übernachten konnte. Ich wusste, dass es sehr gefährlich sein kann, zu Hause zu entgiften, mir war aber klar, dass ich das stationär nicht hinbekomme. Nun wollte ich aber unbedingt aufhören. Also fragte ich meinen Hausarzt, ob er mir helfen könnte. Mit seiner Betreuung habe ich dann ambulant entgiftet.

Zwei mal in der Woche besuchte ich die Suchtberatungsstelle, bei der ich, zusätzlich zu den wöchentlichen Gesprächen, an einer Infogruppe teilnahm. Dort wurde mir das erste Wissen über Alkoholabhängigkeit näher gebracht. Zusätzlich besuchte ich die Meetings der Anonymen Alkoholiker. Ich hatte das Glück, dass wirklich jeden Abend eins in Kassel stattfand, so dass ich eng angebunden war.

Als ich dann 3 Monate trocken war, konnte ich meine ambulante Therapie beginnen. Das war einer der besten Entscheidungen, die ich je getroffen habe. Am Anfang war ich emotional noch so betäubt, dass ich nicht viel von dem verstand, was dort gesagt wurde. Es war eine Gruppentherapie und ich verstand oft nur Bahnhof, was sich dann aber ganz ganz langsam legte.

Während dieser Therapie lernte ich mich selbst ein kleines bisschen besser kennen. Im Nachhinein betrachtet war es allerdings eher die Vorbereitung darauf, in eine eigene Wohnung, weg von meinem Mann, zu ziehen. Dieser Schritt war auch absolut notwendig, sonst hätte ich das nicht geschafft. Nun war der Weg frei, um überhaupt einmal an mir selbst arbeiten zu können. Diese Entwöhnungsbehandlung endete an dem Tag, an dem ich ein Jahr trocken war, am 24.03.2004.

Kurz darauf beantragte ich eine weitere Behandlung, denn es war deutlich geworden, dass es bei mir noch mehrere Baustellen gab, die behandelt werden wollten und auch mussten. Ich ging zu einer Psychoanalytikerin, bei der ich von da an 10 Jahre lang 3-4 mal in der Woche einen Termin hatte. Das war eine wirklich sehr interessante Zeit, denn dort lernte ich mich wirklich kennen. Es war eine spannende Reise in meine Gefühlswelt und in meine Vergangenheit. Langsam verging immer mehr diese innere Betäubung, die durch den Alkohol, aber auch durch Selbstschutz entstanden war. Ich hatte immer wieder das Gefühl, ich stehe vor einer Tür, und wenn die sich öffnet, dann tobt der Feuersturm. Und wenn sich diese Tür dann öffnete, kam nur ein Lüftchen zu Tage und ich war wieder einen großen Schritt weiter gekommen.

Mein großes Glück ist, dass ich die therapeutische Arbeit sehr schätze. Ich bin mit allen Sinnen voll eingestiegen und habe mich auch damals schon auf alles eingelassen, was mir während dieser Psychoanalyse begegnet ist. Ziemlich bald waren wir von der Sucht ganz weit weg. Wir haben unsere Aufmerksamkeit immer deutlicher meiner Lebensgeschichte und den damit entstandenen Problemen geschenkt. Das brachte nach einigen Jahren eine komplexe Posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS) zu Tage.

Letztlich ist es ja auch so, dass die Sucht niemals vom Himmel fällt. Niemand wird einfach aus Spaß und aus Partylaune abhängig, sondern es stehen üblicherweise Probleme in der eigenen Geschichte dahinter. Ich habe gelernt, dass Konsum bei Süchtigen eine Bewältigungsstrategie war, die irgendwann aus dem Ruder gelaufen ist. Bei mir war es der Versuch, mir selbst ein Medikament zu geben, das mir hilft, das Leben auszuhalten.

Nachdem die Psychoanalyse nach 10 Jahren zu Ende war, weil die damalige Therapeutin ihre Praxis aufgeben musste, hatte ich das Gefühl, recht nah am Ziel meiner Aufarbeitung zu sein. Es war ein ungünstiger Zeitpunkt, dachte ich. Heute sehe ich das etwas anders. Ich habe dann meinen heutigen Therapeuten kennengelernt und mit ihm eine völlig andere Richtung eingeschlagen. Unsere therapeutische Beziehung ist eher freundschaftlich und auf Augenhöhe, aber dennoch gesunde Grenzen einhaltend, also nicht privat. Das war genau das, was mir zum Erfolg gefehlt hatte. Ich bin sehr froh, dass ich mit ihm seit 2016 zusammen arbeiten kann.

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